Marktplatzspringen präsentiert die Athleten hautnah
Diskus-Weltmeister Robert Harting sorgt sich um die Leichtathletik und fordert grundlegende Reformen. „Wenn der Schritt Richtung Entertainment ausbleibt, wird sie auf Dauer untergehen“, sagte der Berliner vor wenigen Wochen in einem Interview.
„Ich gebe Harting voll und ganz recht“, sagt Hans Timmermann, der mit dem „Recklinghäuser Marktplatzspringen“, das am Freitag, 3. Juni, 30. Geburtstag feiert, diesen Schritt schon vor langer Zeit unternommen hat. Eben diese Marktplatzspringen hat sich Harting als Vorbilder genommen. „Ich würde zu den Leuten gehen und nicht darauf warten, bis sie ins Stadion kommen, Ich bin eh‘ der Marktplatz-Typ. Ich würde die Distanz und die Dynamik, die das Diskuswerfen ausmachen, viel mehr herausstellen.
Ich könnte mir ein Event vorstellen, bei dem die Werfer die 60, 65 und 70 Meter erreichen müssen. Und zwar über die Spree! Der Bundespresse-Strand in Berlin würde sich dafür hervorragend anbieten.“ Auch einen Wettkampf vor dem Brandenburger Tor kann er sich vorstellen: „Ich würde gerne so ein Meeting mitmachen.“Aussagen, bei denen Hans Timmermann wissend schmunzelt. „Eben diese Diskussion gab es vor dreißig Jahren schon bei den Stabhochspringern“, so der Organisator des „Recklinghäuser Marktplatzspringens“. „Bei uns haben damals die Springer gesagt: ‚Wir betreiben eine attraktive Sportart und die müssen wir präsentieren. Und zwar nicht im entferntesten Winkel eines Stadions, sondern dort, wo die Menschen auch hingehen. Wo sie hautnah miterleben können, was für eine Kunst Stabhochsprung ist, wo sie staunen können, welche Höhen und welche Weiten erreicht werden‘.“
Nun ist nicht unbedingt jede Sportart dazu geeignet, auf einen Marktplatz zu gehen. Und bei Hartings Vorschlag hegt Timmermann gewisse Zweifel: „Die Sicherheitsvorkehrungen beim Diskus- oder Hammerwurf sind ja ungleich aufwändiger. „Prinzipiell aber sieht er den Diskus-Hünen gedanklich auf dem richtigen Weg. Denn: „Wir beklagen mit Ausnahme des Fußballs oder gerade boomender Sportarten einen Zuschauerschwund. Wenn alle Leute zum Fußball gehen, bleiben für uns weniger übrig. Anders gesagt: Wenn ich nicht die besten Athleten der Welt am Start habe, kommt keiner. Deshalb muss man etwas Außergewöhnliches unternehmen, um die Zuschauer anzulocken.
Und Robert Harting hat besonders in dem Punkt Entertainment recht. Mir fällt das Beispiel Tennis ein. Früher eine staubtrockene Angelegenheit. Bis die Generation John McEnroe, Steffi Graf und Boris Becker kam Sportler mit Entertainer-Qualitäten. „Timmermann weiß aber, dass die Planung einer solchen Veranstaltung ein Balanceakt ist: „Man muss höllisch aufpassen, dass es nicht eine reine Show-Veranstaltung wird. Die Sportler müssen einerseits den Event-Charakter rüberbringen, andererseits Leistung abliefern. Nur so kommen die Leute.“
Warum aber wenn Hans Timmermann mit dem „Recklinghäuser Marktplatzspringen“ schon vor Urzeiten die zündende Idee hatte dauerte es 30 Jahre, bis sich ein Zweiter regt? Hätte sich hier der Verband, von dem Harting sagt: „Die Leichtathletik ist eine alte Dame, geführt von noch älteren Herren“, eher regen sollen? Hätten die Athleten sich mehr Gedanken machen sollen? Oder deren Manager? Fragen, auf die auch Timmermann keine klaren Antworten weiß: „Es müssen sich alle an einen Tisch setzen und sagen: ‚Wir müssen was unternehmen‘. So, wie es damals bei uns war. „Den Deutschen Leichtathletik-Verband von damals und heute will er allerdings gar nicht miteinander vergleichen. „Vor 30 Jahren“, so Timmermann, „waren wir dem DLV ein Dorn im Auge. Eigentlich war das Springen auch nur als einmalige Veranstaltung geplant. Doch dann haben die Springer gesagt: ‚War schön hier, wir kommen im nächsten Jahr wieder.‘ „Und der erste Sieger sitzt heute an der Verbandsspitze: Günther Lohre, Vizepräsident Leistungssport. Wenn also jemand im Verband weiß, dass die Leichtathletik attraktiver werden muss, dann ganz sicher er.
(Quelle: Medienhaus Bauer von Peter Koopmann)